Betrachtungen zum bedrohten Planet Erde
von Friedrich Flemmer
von Friedrich Flemmer
Ich stehe am Airport von Phuket, eine schluchzende Thai in meinen Armen. Tränen fließen, doch wir kennen beide die Realität. Ein Winken, ein letzter Blick, schon lacht sie wieder, Buddha sei Dank. Sie fliegt nach Bangkok und auch ich verlasse nach fünf Monaten mein Paradies, die Glitzerwelt von Patong Beach. Ich kenne kaum ein Land, das sich in den letzten Jahrzehnten so wenig verändert hat, wie Thailand. Buddha, der König und die Thais, sie sind eine verschworene Gemeinschaft. Für die Bevölkerung endet ihr Kosmos an der Landesgrenze, lächelnd passen sie sich den Gegebenheiten der Mechanismen an, im Einklang mit der Natur. Sieht man von der Metropole Bangkok ab, doch solche Metropolen gleichen sich auf der ganzen Welt, dort geht es nur um Geld und Macht. Die Bedürfnisse der Mehrzahl der Menschen Thailands sind einfach geblieben, sie möchten zufrieden leben, wollen nicht alles haben, nicht um jeden Preis. Ich erspare mir den Schock einer Blitzrückkehr nach Europa, ich habe anderes vor. Mit gemischten Gefühlen sitze ich im Flugzeug nach Kuala Lumpur und betrachte unter mir die Küstenlinie, grüne Hügellandschaften und den Dschungel Malaysias. Die Landung wird hart, kaum eine Stunde entfernt vom Paradies betrete ich eine andere Welt. Frohmut und Lebenslust hat hier scheinbar keinen Platz, der Ruf des Muezzin empfängt mich. Von Kopf bis Fuß dunkel verhüllte Körper, ernste Gesichter, abschätzige Blicke. Drei Tage zuvor fand hier der Formel 1 Grand Prix statt. Das zuströmende Geld nimmt man gerne, die fremden Menschen die damit ins Land geschwemmt werden, nicht. Eine Limousine bringt mich nach Port Kelang, dem Tiefseehafen von Kuala Lumpur. Die Gegend wird immer düsterer, keine Frauen sind zu sehen, nur verschmutzte Umwelt und ein grindiges Hotel, in dem ich eine Nacht verbringen muss. Den Abendspaziergang beende ich rasch, feindselige Blicke – ein Ungläubiger, der nicht hierher passt.

Die Ausreise- und Zollformalitäten am nächsten Morgen sind schnell erledigt, man ist froh, mich loszuwerden, nachdem ich die anstehenden Gebühren bezahlt habe. Der Kapitän und die Offiziere des Containerfrachtschiffes Baudelaire empfangen mich, ich werde schon erwartet. Dreihundert Meter Länge und vierzig Meter Breite Deutsches Hoheitsgebiet verspricht im Moment irgendwie Sicherheit. Wieder eine andere Welt, deutsche Gründlichkeit und Betriebsamkeit an Bord, ich beziehe die Owner`s Cabin, bin der einzige Passagier auf dem Frachter, Sauberkeit herrscht überall. Stundenlang bestaune ich, wie sieben Riesenkräne gleichzeitig das Schiff mit Containern be- und entladen. Der Großteil der sechstausendfünfhundert Stahlkästen an Bord kommt jedoch aus China, bestimmt für Europa. Kaum steht der letzte Container an Deck, legen wir ab – Zeit ist Geld, die Fracht muss schnellstens umgesetzt werden, Konsumenten die immer mehr haben wollen, warten – auf das Neueste, Beste und Billigste aus Asien. Die Baudelaire schwenkt in die Straße von Malacca ein, eine ganz feindliche Welt, wie sich rasch herausstellt. Die Schiffsaufbauten werden verschlossen, ich über die Gefahren belehrt und der Frachtriese in der Nacht beleuchtet wie ein Christbaum. Piraten der Neuzeit lauern in Massen vor den Küsten Sumatras. Sie überfallen die Frachtschiffe und holen sich mit Gewalt einen Teil davon, was ihnen die Welt schon seit Jahren verspricht. Keine Spur von den versprochenen Milliardenspenden nach dem Tsunami von 2004, die spärlich geflossenen Gelder verschwanden im Korruptionssumpf. Indonesien versinkt im Elend – Naturschutz und Umweltverschmutzung sind dort kein Thema, gekämpft wird um das nackte Überleben. Die Spuren finden sich im Meer, auch weit weg von den Küsten. Ich hinterfrage beim Ersten Offizier. Bewaffnet sind wir nicht, sonstige Schutzmaßnahmen gibt es keine – alles eine Frage der Kalkulation, sich ausrauben lassen ist billiger als sich zu schützen, die Versicherung günstiger als Sicherheitsmaßnahmen oder menschliche Security. Erleichterung beim Kapitän, als Banda Aceh hinter uns liegt, wir nehmen Kurs auf die Südspitze Sri Lankas. Im Ruderhaus auf der Brücke beobachte ich den Schiffsverkehr am Radarschirm. Eine Karawane von Fracht- und Öltankern befährt diese Schiffsstraße in beiden Richtungen. Die deutsche Reederei besitzt neunzig solcher Schiffe, weltweit durchpflügen tausende dieser Stahlriesen die Ozeane. Die Auftragsbücher der fernöstlichen Werften sind voll für die nächsten zehn Jahre. Immer mehr Güter werden transportiert, jeder möchte alles haben, rund um die Welt. Ich hinterfrage vieles und noch mehr und bekomme bereitwillig Auskunft. Unsere Schiffsmaschine, neueste Bauart, verheizt pro Tag zwischen zweihundertdreißig und dreihundert-zwanzig Tonnen giftigstes Schweröl, je nach Drehzahl und Geschwindigkeit. Relativ gesehen, auf die gesamte Fracht verteilt kalkuliert, ist das schlichtweg nichts. Doch was interessiert den Blauen Planeten menschliche Kalkulation mit bunten Geldscheinen? Brauchen wir das alles, was hier transportiert wird? Zu neunzig Prozent – nein! Wir wollen es nur haben! Oder, wir transportieren nur Güter hin und her, weil eine bestimmte Logistik berechnet, dass die Erzeugung an irgendeinem anderen Ort der Welt billiger ist, inklusive Rücktransport, Vertrieb und Verkauf. Die nackte Wahrheit – die erzeugenden oder an der Herstellung beteiligten Menschen sind billiger! Wir verschiffen aus den führenden westlichen Nationen hochtechnologisches Wissen und Güter in jene Länder, die dann auf diesem Wissen und auf diesen Produkten aufbauend, Güter herstellen. Und uns diese dann, um billiges Geld gefertigt, zurückschicken. Ganze Industriezweige müssen in der Hochtechnologiewelt zusperren und Menschen werden arbeitslos, zugunsten jener Länder, die dafür ihre Arbeitslosigkeit radikal abbauen, mit fremdem „Knowhow“ Riesenindustrien aufbauen und gnadenlos den Planeten verpesten. So sägen wir täglich an dem Ast, auf dem wir selbst sitzen. Siehe China – dort bauen sie gerade Gigantomania. Selbst weltherrschaftliche Gedanken vom Führer des Dritten Reiches mutieren dagegen zu Sandkastengröße, er würden vor Ehrfurcht erblassen. Von den zwanzig größten, umweltverschmutzenden Städten der Welt, liegen alleine sechzehn in China. Und China steht erst am Anfang der totalen industriellen Hochrüstung. Von Shanghai hört man, aber die Kapitalismus-Kommunisten stampfen eben still und heimlich noch ein Dutzend solcher Gigantenstädte aus dem Boden, mit Menschenmaterial, das dort so billig ist, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Die Baudelaire transportiert gerade in China günstiger gefertigte Flügelteile für Airbus-Flugzeuge nach Hamburg, wo man derzeit Airbus-Fabriken schließen und Leute entlassen möchte. Dafür wurden diese Fabriken zuerst mit europäischen Fördermitteln gestützt und aufgebaut. Alles nur eine Frage der Kalkulation – fragt sich nur für wen und zu wessen Gunsten? Die Baudelaire ist auch mit fünfhundert Kühlcontainern beladen. Inhalt – tiefgefrorene Krabben, Fisch und Fleisch aus China. Diese Container werden in Hamburg entladen und der Inhalt kreuz und quer in Tiefkühltransportern auf den Straßen durch Europa geschickt. Das ist billiger als jede andere Möglichkeit, an dieses Futter zu gelangen. Containerschiffe dieser Größe laufen zu neunzig Prozent keine Mittelmeerhäfen mehr an – rechnet sich nicht. So landen tiefgekühlte Krabben aus China auf dem Weg über Hamburg auf Tellern in Sizilien. Die Krabben dort an Ort und Stelle zu fangen ist teurer – und außerdem gibt es durch Überfischung und Verschmutzung des Mittelmeeres dort so und so keine mehr. Und wo werden sie bald die Krabben in China hernehmen? Europäische Hochtechnologie wird helfen, genmanipulierte Züchtungen in China anzusiedeln und den Ausstoß wieder nach Europa zu verfrachten. Die glänzen dann so schön am gestoßenen Eis im heimischen Supermarkt. Brauchen wir das? Nein – aber, wir wollen es haben! Mit solchen Beispielen könnte man Bände von Büchern füllen. Es wird auch darüber diskutiert und von „Grünen“ politischen Parteien angeprangert, doch selbst diese verlieren sich lieber schnell in Sozial- und Frauenfragen. Es ist ein Thema – aber wirklich handeln möchte eigentlich keiner. Es könnte ihn ja selbst betreffen – wo er doch so gerne alles haben möchte. Verbesserungen? Zum Totlachen – es wird immer schlimmer! Außer Lippenbekenntnisse von jenen, die es jedem recht machen und wieder gewählt werden möchten, gibt es nichts – außer heißer Luft. Im Endeffekt finden alle Machthaber oder Regierungen irgendwelche Ausreden, warum das eben gerade jetzt nicht geht und auf bald verschoben wird, mit Fristen, die sie selbst mit Sicherheit nicht mehr erleben werden. Neuester Winkelzug – auf alles nur mögliche wird eine Umweltsteuer erhoben. Nochmals zum Totlachen – Budgetlöcher und sonstige Sümpfe werden gestopft. Das Thema wird weltweit gut verkauft – dem Planeten bringt es substanziell überhaupt nichts. Ich habe Zeit genug um nachzudenken. Dreizehn Tage dauert meine Seereise. Ein Tag strahlender als der andere und der Planet mutet paradiesisch an – tiefblaues Wasser, Sonnenschein, blauer Himmel und traumhafte Sonnenuntergänge. Warum tun wir Menschen dem Planeten so viel Schlechtes an – und damit uns selbst? Weil ein Teil der Menschheit gnadenlos das Ziel – ich will haben – anstrebt, das im Sinne des Planeten, so nicht zu erreichen sein wird. Das beginnt bei Kleinkindern, die im Supermarkt so lange nach der Schokolade brüllen, bis entnervte Mütter nachgeben und endet bei Diktatoren, die Bevölkerungen unterdrücken. Sie alle sind mehrheitlich im Kopf dazu programmiert und erzogen worden, denn geboren wird so kaum jemand – und dieser Spezies ist der Planet im Moment ihrer Macht vollkommen egal. Das Problem liegt nun darin, dass diese Spezies an den Machthebeln sitzt. Und sie sitzt dort, eben weil sie zu dieser Gattung Mensch gehört. Ein Teufelskreis, kaum zu durchbrechen. Oder kennen sie einen Machthaber der an die Spitze gevotet wurde und nur noch den Blauen Planeten retten möchte?

Vor Sri Lanka wieder Piratenalarm. In den Gewässern rund um die Malediven zeigt der Planet wieder auf, was er zu bieten hat. Wale, Delfine, fliegende Fische, Natur pur. Im Arabischen Meer eine fast unheimliche Dichte an Tankschiffen. Sie verteilen das flüssige Gold in alle Welt, immer mehr und immer teurer, um das Rad in Bewegung zu halten, es möglichst noch mehr anzukurbeln. Im Golf von Aden kommen zu den Piraten noch die Flüchtlinge dazu. Ich beobachte mit dem Fernglas drei überfüllte Boote. Stumpfe, dunkle Gesichter, die Ärmsten der Armen versuchen die Flucht über die See von Somalia in den südöstlichen Jemen. Der Zweite Offizier schaltet den Funk einfach ab. Ich sage nichts, denke mir meinen Teil. Unser Schweigen durchbricht er, nachdem die Boote außer Sichtweite sind, mit den Worten: „Die sind noch ärger als die Piraten, wenn wir die nach Seerecht retten müssten, kostet das nur Zeit und Geld. Bringt nur Ärger!“ Auf der Fahrt durch das Rote Meer herrscht Anspannung. Aufmerksam werden kleine Boote beobachtet, die sich dem Schiff nähern. Die Hungrigen der Welt lauern auf Gelegenheiten, Güter der Reichen zu erobern. Die Passage im Konvoi durch den Suezkanal, einen ganzen Tag lang, ist ein Erlebnis. Der Planet hat Vielfältiges zu bieten. Im Mittelmeer befragt uns die patrouillierende, internationale Flotte über Funk, ob wir auch keine Waffen schmuggeln. Wir laufen in Malta ein, dem einzigen Hafen im Mittelmeer, den die Baudelaire anläuft. Doch Container für den EU-Raum werden hier kaum umgeschlagen, nur für den Weitertransport an die amerikanische Ostküste abgeladen. Aha – deshalb ist Malta so wichtig für die EU! Sonst sehe ich dort nichts, was darauf hinweisen könnte. Nur die afrikanischen Flüchtlinge, die neuerdings die Insel überschwemmen, lassen erkennen, dass ich mich in einem begehrten EU-Staat befinde. Aber auch diese wollen dort nur gerettet werden, jedoch schnellstens ans EU-Festland weiter – Malta hat auch für sie nichts zu bieten. Ich gehe von Bord und fliege zwei Tage später nach Wien. In der letzten Nacht auf der Baudelaire habe ich mir mit einigen Offizieren im Bordkino Al Gores Film „Eine unbequeme Wahrheit“ angesehen. Die Fakten einer möglichen Klimakatastrophe sind schlüssig dargestellt. Doch auch er möchte es allen recht machen – er fordert zwar Umdenken, möchte das Problem aber technisch lösen. Dies wird ein Traum bleiben, es kann ein Baustein dazu sein, mehr nicht. Das Problem des CO2 Anstieges, wenn dies ein solches überhaupt ist, Experten bezweifeln das ja und die damit verbunden scheinende Erderwärmung, ist nur ein Teilproblem. Das viel größere Problem ist die generelle Umweltverschmutzung und -verwüstung durch eine Erdbevölkerung von sechs Milliarden Menschen, die immer mehr haben wollen. Dadurch wird das Ökosystem eher zusammenbrechen, als der Meeresspiegel durch die Erderwärmung und schmelzendes Eis ansteigen könnte. Lösbar werden die Probleme erst dann sein, wenn man das benötigte Denken bereits bei den Kindern zu programmieren beginnt. Weg von diesem – haben wollen! Nur – das heißt – dazu erziehen. Und wer soll damit wirklich beginnen? Ich sehe keinen, alle wollen nur haben! Wenn sich da nichts ändert, sehe ich schwarz für den Blauen Planeten beziehungsweise für seine Bevölkerung. Der Planet wird sich zu wehren wissen.
Der Autor
Ing. Friedrich Flemmer, Unternehmer, in Wien geboren.